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Leserbrief NW 1-97


NEUE WESTFÄLISCHE, Artikel "Finanznot der Kommunen stürzt Zoos in die Krise, Wehmütige Erinnerung an Professor Grzimek" vom 15.1.97

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ihr Artikel vom 15. Januar erweckt den Eindruck, als seien alle deutschen Zoos als kommunale Einrichtungen in einer hauptsächlich durch Besucherschwund verursachten Finanzkrise. Für viele Zoos Deutschlands bietet sich jedoch ein anderes Bild. In den Zoos sind so viele neue Anlagen eröffnet worden oder im Bau, wie seit Jahrzehnten nicht mehr, obwohl die Finanzierung für viele Zoos durchaus ein Problem darstellt.

Manche Zoodirektoren machen es sich aber zu einfach, wenn sie für die Finanzmisere nur die ausbleibenden Besucher verantwortlich machen. Viele der angesprochenen Probleme sind leider hausgemacht. Vor allem die kommunalen Zoos mit starrer Verwaltungshierarchie und ohne eigene Finanzhoheit können einfach nicht so flexibel reagieren, wie es für einen modernen Zoo erforderlich ist. Viele Zoos haben sich daher aus der städtischen Trägerschaft gelöst, auch wenn die Kommunen weiterhin die Hauptanteile der neuen AG oder GmbH besitzen. Ist ein solcher Wandel vollzogen, finden sich plötzlich Sponsoren, Investoren und Bankkredite, die ein städtischer Betrieb nicht erhalten hätte. Die Kommunen dürfen sich jedoch nicht aus der Verantwortung für den Kulturbetrieb Zoo stehlen.

Prof. Grzimeks Erben im Frankfurter Zoo haben unter kommunalen Sachzwängen ganz besonders zu leiden. Zusätzlich zum engen Innenstadtzoo war ein großzügiger Landschaftszoo außerhalb der Stadt seit 20 Jahren geplant. Mehrfach wurde das Projekt verschoben und nun, wo Gelände und Planung vorhanden sind, fehlt das öffentliche Geld, um das 200-Millionen-Objekt auch nur zu beginnen.

Doch etwas hat sich seit Grzimeks Zeiten nicht verändert: Die Einschaltquoten etwa von "Abenteuer Zoo" in der ARD zeigen das hohe Interesse der Öffentlichkeit an Zoos. Auch heute noch strömen die Besucher nach solchen Fernsehsendungen in die Zoos; der Einfluß der Medien ist in dieser Hinsicht ungebrochen. Die überschwengliche Berichterstattung zur Urwaldhalle "Burgers Bush" im Tierpark von Arnheim hat, wenn sie nicht in allen Punkten berechtigt war, Hunderttausende auf den Weg in die Niederlande geschickt.

Es sind nicht allein große Neubauten, die dauerhaftes Publikumsinteresse erhalten, sondern vielfältige Angebote im Zoo und Präsenz in den Medien, die den Zoo in der Bevölkerung verwurzeln.

Hier haben einige Zoos den Anschluß schlicht verpaßt; die Vorwürfe von Zoogegnern beruhen nicht zuletzt auf mangelnder Information von Seiten der Zoos, die zu Mißverständnissen führten. Hier bestand und besteht ein Defizit an Öffentlichkeitsarbeit, dessen Folgen die Zoos jetzt beklagen, während sie nur zögernd an die Bekämpfung der Ursachen gehen.

Den radikalen Zoogegnern den Anstoß für Neuerungen in den Zoos zuzuschreiben, ist nun wirklich zuviel der Ehre. Doch gerade die deutschen, oft recht konservativen, Zoos gerieten in den letzten Jahren unter selbst verursachten Zugzwang. Mutige Projekte in benachbarten Ländern zeigten, wie sehr neue Konzepte Fachwelt, Medien und "normale" Zoobesucher gleichermaßen beeindrucken. Die Palette reicht dabei vom Biotop-Geozoo in Rotterdam, der einfallsreichen Umgestaltung des Wiener Menageriezoos, dem Apeldoorner Affenpark "Apenheul", der Spezialisierung auf Erhaltungszuchten bedrohter Arten auf Jersey bis eben zu den überreichlich gepriesenen Ökosystemhallen in Arnheim.

Doch es sind nicht nur ausländische Zoos, die eine solche tiefgreifende Umgestaltung wagen. Kaum, daß er aus der Stadtverwaltung gelöst wurde, bahnen sich z.B. im Zoo Hannover tiefgreifende Veränderungen an: Bis zur EXPO 2000 wird kaum ein Stein auf dem anderen bleiben und für 70 Mill. DM eine Erlebnislandschaft nach der anderen erbaut. Der Versuchsballon, der Gorillaberg, ist seit letztem Jahr zu bewundern, bis Pfingsten dieses Jahres soll mit dem Indischen Palast ein ambitioniertes Projekt für die asiatische Tierwelt mit Elefanten und Großkatzen realisiert werden. Wohin diese Entwicklung führen soll, wird u.a. in Hannover Ende Februar auf der dritten "ZooKunft"-Tagung diskutiert werden.

Wenn wehmütige Erinnerungen an Prof. Grzimek aufkommen, dann nicht wegen fehlender Zoobesucher, sondern weil heute nur sehr wenige Zoodirektoren wie er gleichermaßen weitblickend den Mut zu völlig neuen Tierhaltungskonzepten haben und dabei in der Lage sind, ihren Sachverstand und ihre Begeisterung einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln.

Doch Experimente sind erforderlich; es ist besser, das Risiko von Fehlern einzugehen, als im Status Quo zu verharren und die Finanznöte zu beklagen. Die Bielefelder Zoo-AG wird die Entwicklung in den Zoos weiter beobachten. Es verspricht, spannend zu werden!

Mit freundlichem Gruß,

D. Petzold M. Schleef

für die Zoo-AG Bielefeld


Diese Seite wurde erstellt und zuletzt geändert am 10.3.1997 von: Dirk Petzold